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© Bildrecht, Wien, 2022; Foto: Artothek des Bundes
Donaukanal - FKK
© Bildrecht, Wien, 2022; Foto: Artothek des Bundes
© Bildrecht, Wien, 2022; Foto: Artothek des Bundes

Donaukanal - FKK

Künstler/in (geb. 1983 in Wien)
Date2009
ClassificationsGrafik
MediumMischtechnik, Collage auf Papier
Paper Support6-teilig
Dimensions420 × 594 mm; 594 × 420 mm; 594 × 420 mm; 594 × 420 mm; 210 × 148 mm; 594 × 420 mm; 594 × 420 mm
Credit LineArtothek des Bundes
Object number27343
DescriptionVom Gehen durch das Ornament
Zu Arbeiten von Birgit Scholz

Rainald Franz

Copacabana hat Birgit Scholz ihre Serie von neuen Bildern betitelt, die den Anlass dieser Ausstellung bilden. Die Momente der Wahrnehmung, die sie dafür verarbeitet hat, fanden sich nicht etwa bei einer Reise nach Brasilien zum weltberühmten Strand von Rio de Janeiro, sondern am Wiener Donaukanal. Die gesprayten Botschaften und Muster an den Wänden, die Birgit Scholz Inspirationen geboten haben, kann man auch als Stadtornamente, Tätowierungen, oder Texturen der Oberflächen lesen. Gottfried Semper und Adolf Loos haben das Verzieren der Haut und die Textur des Webens als Ursprung des menschlichen Schmucktriebes erkannt.

Die Grafitti der Sprayer sind auch Zeichen für dieses menschliche Schmuck- und Ausdrucksbedürfnis in einer ansonsten grauen, anonymen Umwelt.
Seit etwa zwei Jahren dringen ornamentale Flächen in Birgit Scholz Bilder ein, überziehen bisweilen ganze Abschnitte der Komposition oder sogar Figuren im Bildraum wie ein Vorhang oder eine Textur. Ausgangspunkt für diesen neuen Zugang zur Flächenkomposiition bei Birgit Scholz war ihr Aufenthalt als Gasthörerin an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Siegfried Anzinger. Anzinger wies der Künstlerin neue Wege in eine Malerei, deren ausschließliches Thema nicht nur die Figur im Raum ist, sondern die Farb- und Oberflächenwirkung des Bildes ins Zentrum rückt.

Flächenkompositionen entstehen seit 2007 bei Birgit Scholz, die sich mit dem neuen Thema Ornament auseinandersetzen.

Jahrhunderte lang war das Ornament in der westlichen Malerei bloß Dekor. Es rahmte das Eigentliche. In dieser Zeit, als das Ornament als zweitrangig gegenüber der hohen Kunst galt, konnte in ihm die reine Stilentwicklung studiert werden, ohne auf Inhalte achten zu müssen. Mit der Entdeckung des Ornaments für die Malerei durch Philipp Otto Runge und die Romantik, wurde das Ornament auf dem Weg über den Jugendstil in die Abstraktion zu einer Primärmaterie der Malerei aufgewertet. Ornament bot eine Befreiung vom Diktat des Abbildens an, stand aber in der frühen Moderne im Verdacht, reiner Schnörkel und daher nicht würdig zu sein, das Geistige in der Kunst auszudrücken, nach dem Wassiliy Kandinsky und Piet Mondrian etwa in ihren Abstraktionen suchten. Die Geschichte der Ornamentform der Arabeske, die sich Anfang des 19. Jahrhunderts erfolgreich als "blinder Passagier" in den neuartigen Kompositionen des romantischen Bildes einnistet, ist von Frank als notwendig auf dem Weg in die Abstraktion beschrieben worden. Die ursprünglich aus der arabischen Ornamentik stammende Pflanzenranke beginnt über den Symbolismus Paul Gaugins und den Jugendstil bei Henri van de Velde die Strukturgeschichte der abstrakt werdenden Kunst zu beeinflussen. So, wie sich die orientalische Arabeske in eine organische Pflanzenranke und einen geometrischen Flechtbandstern aufteilte, so gabelt sich die lineare Abstraktion in einen geometrischen (Rodtschenko, Mondrian) und einen organischen Zweig (Henri Matisse, Wassily Kandinsky, Jackson Pollock), Henri Matisse hat das Dekorative als eine mögliche Bildsprache gesehen. 1905 entdeckt er für sich die Kombination von Arabeske und Farbe als Ausdrucksmittel. Er entwickelt ein individuelles Ornament-Konzept, das in seiner zunehmenden Verabsolutierung von orientalischen Einflüssen geprägt ist.

Sein Ziel: auf dieser neuen Grundlage das traditionelle Figur-Grundproblem der europäischen Malerei anzugehen. Die dynamische Ordnung der Arabeske brandet dabei gegen jede Räumlichkeit an, Matisses Konzept gipfelt in der reinen Verflächlichung des Bildes zum Bildteppich. Teppiche sind für Matisse, vor allem in seinem Spätwerk, zugleich Bildmotive und Vorbild für die Strukturierung seiner Bildwerke. Eine andere, ältere Weise eine Fläche zu gliedern wird in die gegenwärtige Fläche des Bildes einbezogen. Birgit Scholz versucht in einigen ihrer Bilder eine Revision dieses durch die Malerei der frühen Moderne erarbeiteten Weges in das Bild. Kompositionen wie "Leinwandmensch" , Ornamenthaus, Streifenpärchen oder Swimmingpool lassen eine Dominanz der dekorativen Ornamentforrmen zu, in ihnen hat die Textur des Dekorativen die bestehende Textur der Leinwand oder den Malgrund überzogen. Eine Schnittstelle, die man bei der Auseinandersetzung Henri Matisses und Birgit Scholz mit dem Flächenornament finden kann, ist im Umgang mit Erinnerungen zu sehen. Für Matisse wird das Ornamentale zu einer Textur der Erinnerung, zum einen bindet es den Maler an seine Vorgänger und damit in de Tradition der Malerei ein, zum anderen bringt das abgebildete textile Ornament auch immer seine eigene, mit der des Bildes nicht identische Geschichte ein. Das Gemälde oder die Zeichnung werden so mit einer weiteren zeitlichen Schicht versehen. War es bei Henri Matisse die Erinnerung an Orient- und Südseereisen, die er in seine Malerei eindringen ließ, ist es bei Birgit Scholz die eigene Erinnerung an in ihrer nächsten Umgebung Wahrgenommenes und die Erinnerung an aus der modernen Malereitradition von Vorläufern Übernommenes. Das Studium der Annäherung an das Ornamentale, etwa bei Henri Matisse hat für Birgit Scholz den Weg zu einer neuen fruchtbaren Auseinandersetzung mit diesem für die Malerei in der Moderne entdeckten Mittel des Ausdrucks der Erinnerung geöffnet. Konsequent arbeitet Birgit Scholz in ihren neuen Bildern daher an klassischen Ornamentthemen wie der Muster-Grundrelation oder dem Verhältnis von Fläche zu Raum. Die Bildwerdung des Ornamentalen als Erinnerungsmittel führt sie aus der abstrakten Tradition der Moderne in die Malerei der Gegenwart fort. Ornament als Ausdruck der Erinnerung an die Wahrnehmung.

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Foto: Artothek des Bundes
Karoline Hafner-Scholz
erworben 1966
© Bildrecht, Wien, 2022; Foto: Johannes Zinner
Birgit Zinner
2015
© Bildrecht, Wien, 2016; Foto: Belvedere, Wien
Birgit Jürgenssen
1972
© Bildrecht, Wien, 2019; Foto: Birgit Knoechl, © Bildrecht, Wien, 2019
Birgit Knoechl
2016
© Bildrecht, Wien, 2019; Foto: Birgit Knoechl, © Bildrecht, Wien, 2019
Birgit Knoechl
2017
Foto: Birgit Pleschberger
Birgit Pleschberger
2005
Foto: Johannes Stoll, © Belvedere, Wien
Birgit Sauer
2007
Foto: Birgit Pleschberger
Birgit Pleschberger
2008
Foto: Belvedere, Wien
Birgit Sauer
2003